Jugendrichter Andreas Müller setzt sich seit Jahren für die Legalisierung von Cannabis ein. Nun will er noch im September vors Bundesverfassungsgericht ziehen. Mit einer sogenannten Richtervorlage will er prüfen lassen, ob man Cannabis in Deutschland eigentlich legalisieren müsste, sagte er dem Magazin Vice. Damit könnte die Freigabe von Cannabis in Deutschland einen großen Schritt näherrücken.
Zur Begründung sagte Müller: „Laut unserem Grundgesetz darf jeder Mensch so leben, wie er will. Es sei denn, er verletzt damit die Rechte anderer. Er darf schwul sein, er darf lesbisch sein und er darf nach meiner Auffassung auch die Droge wählen, die für ihn am besten ist. Denn wer Cannabis konsumiert, zieht damit das Recht von anderen nicht in Mitleidenschaft.“
Durch Cannabis ist noch niemand gestorben, durch Alkohol schon
„Cannabiskonsumenten sollten mit Alkohol- und Nikotin-Konsumenten gleichgestellt werden“, fordert Müller. Nach seinen Angaben sterben jedes Jahr weltweit drei Millionen Menschen an den Folgen von Alkoholkonsum. Durch Cannabis sei noch niemals jemand gestorben.
Die Drogengesetzte, was Cannabis angeht, hält Müller für veraltet: „Anfang der 1970er Jahre hielt man Cannabis für eine unheimlich schlimme Einstiegsdroge. Heute wird die Einstiegsdrogen-These weltweit von keinem Wissenschaftler mehr vertreten, sondern nur noch von dummen Politikern. Heute ist Hanf eine der meist untersuchten Substanzen und auch das Bundesverfassungsgericht hat 1994 bereits festgestellt, dass es sich bei Cannabis nicht um eine Einstiegsdroge handelt.“
Die Menschen kiffen trotz Verbot
Ziel des Betäubungsmittelgesetzes sei es gewesen, die Verbreitung von Cannabis einzudämmen. Dieses Ziel wurde nicht erreicht, so Müller Die Menschen kifften trotzdem, das Verbot habe keine Wirkung. Auch das Ziel des Jugendschutzes sei nicht erreicht, da Jugendliche an jeder Ecke nicht kontrolliertes Cannabis kaufen könnten. Jugendschutz funktioniere nur bei einer kontrollierten Freigabe. Erforderlich und geeignet sei das Gesetz auch nicht. Man könnte die Verbreitung von Cannabis viel besser durch Prävention und Aufklärung eindämmen.
Laut Müller habe das Cannabisverbot vor allem negative Folgen. Es sorge dafür, dass Hunderttausende überwiegend junge Menschen die Achtung vor dem Staat verlieren. Fünf bis zehn Prozent der Deutschen würden pauschal zu Kriminellen gemacht, stigmatisiert, weil sie etwas anderes konsumieren wollen als Alkohol. Im letzten halben Jahrhundert seien über eine halbe Million überwiegend junge Menschen in die Knäste geschickt worden. Es könne enorme Folgen haben, wegen kleiner Cannabisdelikte verurteilt zu werden. „Noch zwei Tage nachdem man gekifft hat, kann man in Deutschland seinen Führerschein verlieren. Das ist völlig absurd. Aber auf dem flachen Land einen Führerschein zu verlieren, bedeutet Jobverlust“, sagte Müller der Vice.
Solange es das Cannabisverbot gebe, könnten es gewisse Leute für sich nutzen, so Müller weiter. „Die AfD kann dann auf Orte wie den Görlitzer Park in Berlin oder den Kölner Ebertplatz zeigen und sagen, schaut mal wie dort die Schwarzafrikaner unseren deutschen Jugendlichen Cannabis verkaufen. Sie kann den Leuten suggerieren, dass wir eine wahnsinnige Kriminalität haben und sie mit Law and Order hart bekämpfen müssen. Aber wir bekämpfen Konsumenten.“
Wer jeden Abend säuft, ist ein guter Bürger. Wer kifft, nicht.
Müller wurde aufgrund persönlicher Erfahrungen zum Cannabisaktivisten: „Mein Vater hatte sich totgesoffen und mein älterer Bruder wurde in den Knast gesteckt, weil er kiffte und Cannabis über die holländische Grenze geschmuggelt hatte. In meinem jugendlichen Alter habe ich gesehen, wie Familien zerrissen wurden. Wie Hunderte von Cannabiskonsumenten verfolgt wurden. Das ist noch heute der Fall. Wer jeden Abend eine Flasche Rotwein trinkt, ist ein guter Bürger. Wer jeden Abend an einem Joint zieht, ist ein schlechter Bürger.“
Müller glaubt an den Erfolg seiner Initiative: „Wenn die acht Leute am Bundesverfassungsgericht tatsächlich die Verfassung achten, werden sie das Cannabisverbot teilweise für die Konsumenten aufheben.“ Aus juristischer Sicht hält er die kontrollierte Freigabe für einen vernünftigen Umgang mit Cannabis. „Alles, was mit Cannabis zusammenhängt – und es gibt ja Konsumenten, die Probleme haben –, ist Sache von Sozialarbeit und Gesundheitspolitik. Aber nicht von Strafrecht.“
Das vollständige Vice-Interview findet ihr hier.