Alle Cannabis-Konsumenten warten auf die Legalisierung von Cannabis. Bisher tat sich in dieser Richtung nichts – obwohl die SPD-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans sich zu Beginn des Jahres 2020 dafür stark gemacht hatten. Damals waren sie SPD-Vorreiter. Jetzt zieht die SPD-Bundesfraktion nach.
Vieles spricht für eine Entkriminalisierung
Da Präparate mit dem medizinischen Cannabis-Wirkstoff CBD legalisiert wurden, und es verschreibungspflichtige Medikamente mit THC-Gehalt gibt, wäre der nächste Schritt fällig. In einem Positionspapier fordert die SPD-Bundestagsfraktion nun ein Ende der strikten Verbotspolitik. Der Besitz kleiner Mengen Cannabis für den Eigenbedarf sollte aus Sicht der SPD nicht mehr kriminalisiert werden. Die bisherige Straftat sollte zur Ordnungswidrigkeit herabgestuft werden.
Das bedeutet zwar keine vollständige Legalisierung von Cannabis-Besitz, stellt aber einen Schritt in die richtige Richtung dar. Die SPD-Bundestagsfraktion möchte außerdem versuchshalber Cannabis-Modellprojekte auf den Weg bringen. Beispielsweise könnten sich Interessierte zukünftig in staatlich überwachten „Coffeeshops“ legal mit Marihuana versorgen. Die Cannabis-Konsumenten wären keine Kleinkriminellen mehr. Der Schwarzmarkt könnte während der Testphase effektiv eingedämmt werden. Polizei und Justiz hätten wegen solcher Bagatelldelikte weniger zu tun.
Die SPD schwenkt auf einen neuen Kurs
Offensichtlich nimmt die SPD-Bundestagsfraktion einen Paradigmenwandel vor. Bisher hatte sich die Partei strikt gegen eine Cannabis-Legalisierung ausgesprochen. Als einige SPD-Gesundheitspolitikerinnen 2019 der Bundestagsfraktion ein Positionspapier mit ähnlichem Inhalt vorlegten, wurde die Abstimmung über die Entkriminalisierung von Cannabis-Selbstversorgern von der Führungsspitze der Partei vertagt. Man konnte sich 2019 nicht auf eine gemeinsame Position einigen. Nun macht sich die SPD auf zur Veränderung.
Der Zeitpunkt des Umschwenkens ist sicher kein Zufall. Linkspartei, Grüne und FDP hatten bereits seit 2018 mit eigenen Anträgen eine Reform der Cannabispolitik eingefordert. Oppositionsparteien haben erfahrungsgemäß wenig Einfluss auf die Gesetzgebung der Bundesregierung. Die SPD ist jedoch Koalitionspartner einer Groko. Sie kann potenziell mehr bewegen. Allerdings wird die Union bei diesem Thema sicher eine Blockadehaltung einnehmen. In Sachen Cannabispolitik sehen CDU/CSU sich als Verfechter gesetzlicher Härte, um keine Wähler zu verprellen.
Zudem stehen in absehbarer Zeit Bundestagswahlen an. Ein scharfes Profil in dieser Sache dient dabei der Abgrenzung von Parteien, die sich zum Cannabisanwalt hochstilisieren möchten.
Unterschiedliche Meinungen prallen aufeinander
Daniela Ludwig (CSU), die derzeitige Bundesdrogenbeauftragte sieht die Cannabispolitik auch in den kommenden zehn Jahren als unverändert an. Zum SPD-Vorstoß kommentierte Ludwig auf Twitter, es fehle der Nachweis, dass der Cannabis-Konsum durch eine Entkriminalisierung der Kleinkonsumenten verringert werde.
Dem entgegnete der „Deutsche Hanfverband“ mit Verweis auf eine Studie, die Gegenteiliges besagt. Wie der wissenschaftliche Dienst im Bundestag ermittelte, hat sich das Konsumverhalten durch die restriktive Drogenpolitik kaum verändert. Wichtig ist auch der Verweis auf die Tatsache, dass manche Länder, in denen eine liberale Drogenpolitik vertreten wird, deutlich geringere Zahlen an Konsumenten aufweisen.
Als Fachanwalt für Verkehrs- und Strafrecht befasst sich der Berliner Rechtsanwalt Oliver Rabbat als Cannabis-Anwalt häufig mit entsprechenden Verstößen und Straftaten. Es geht für ihn in dieser Diskussion nicht um Fakten, sondern um Ideologien. Noch besteht jedoch Hoffnung. Denkt man an die Akzeptanz der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare, zeigt sich, dass die CDU einen ideologischen Kampf durchaus zugunsten eines liberaleren Wählerwillens aufgeben kann.
Cannabisanwalt Oliver Rabbat