An Kiffer am Steuer wird man sich gewöhnen müssen

Seit dem 10. März 2017 gilt Cannabis als Medikament und nicht mehr als illegales Betäubungsmittel. Wer ein Rezept vom Arzt hat und Cannabis aus der Apotheke bekommt, darf dies also konsumieren, ohne sich strafbar zu machen oder ordnungswidrig zu handeln. Durch eine Änderung des Betäubungsmittelgesetzes zählt Cannabis nun zu den verkehrsfähigen und verschreibungsfähigen Betäubungsmitteln. Bei den Ordnungshütern hat sich das allerdings noch nicht so wirklich herumgesprochen, wie das Beispiel meines Kollegen Udo Vetter zeigt. In seinem Blog schreibt er:

Die Polizei hielt vor einigen Tagen einen meiner Mandanten am Steuer seines Wagens an. Dieser wies von sich aus darauf hin, dass er im Rahmen einer ärztlichen Therapie Cannabis auf Rezept bezieht. Er hatte auch alle Unterlagen dabei, doch davon zeigten sich die Beamten gänzlich unbeeindruckt… Ein Polizist habe ihm sogar gesagt, verarschen könne er sich alleine. Aber da hat mein Mandant sicher nur was falsch verstanden. Fest steht allerdings: Man fuhr das volle Programm. Also Beschlagnahme des Führerscheins, Verbot der Weiterfahrt, Blutprobe. Auf der Wache hatte dann wohl immerhin ein Beamter nach diesem neuen merkwürdigen Regelungen gegoogelt. Jetzt hieß es, das mit dem Rezept sei zwar schön und gut. Aber es gebe da ja noch den § 24a StVG (Straßenverkehrsgesetz), der eine Teilnahme am Straßenverkehr unter der Wirkung „berauschender Mittel“ untersagt. Hierfür reicht es schon aus, wenn die Substanz im Blut nachgewiesen werden kann.

Tja, und hier wird es wirklich spannend. Es empfiehlt sich zumindest, nicht schon an dieser Stelle mit dem Lesen aufzuhören. Schon der nächste Satz regelt nämlich ausdrücklich:

(Das Verbot) gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

Cannabis entsprechend ärztlicher Verordnung = zugelassenes Arzneimittel = kein Bußgeld für Autofahrer unter Cannabiseinfluss. Daran werden sich Polizei, Staatsanwälte und Gerichte also gewöhnen müssen. Es ist mein erster Fall nach der neuen Rechtslage, deshalb wage ich momentan noch keine Prognose, ob der eine oder andere Jurist hier nicht doch noch eine Hintertür suchen wird. Weil ja nicht sein kann, dass man seit Jahrzehnten unter Aufbietung gewaltiger Ressourcen Cannabiskonsumenten kriminalisiert. Und jetzt dürfen diese nicht nur high sein, sondern auch noch Auto fahren!

Die Bundesregierung sieht das alles übrigens überraschend entspannt. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage heißt es:

Den Cannabispatientinnen und -patienten droht keine Sanktionierung gemäß § 24a Absatz 2 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG), wenn Cannabis aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.

Das sind ja klare Worte.“ Sicher wird diese Antwort auf die Kleine Anfrage von dem einen oder anderen Kollegen noch zitiert, bis sich diese neue Regelung bei den Beamten von Polizei und Justiz herumgesprochen hat. Ich bin gespannt.