Das Expertenkomitee der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Drogenabhängigkeit (Expert Committee on Drug Dependence, ECDD) hat auf seiner 41. Sitzung im November 2018 die Verkehrsfähigkeit von Cannabis sowie cannabisähnlichen Substanzen neu bewertet. Die Neubewertung basiert auf neuen Studienergebnissen zum medizinischen Nutzen verschiedener Cannabinoide (Inhaltsstoffe des Hanfkrauts). Die WHO kommt insgesamt zu dem Schluss, dass die bisherige Einstufung nicht mehr haltbar ist, da durch wissenschaftliche Studien ein medizinischer Nutzen nachgewiesen werden kann. Das Komitee empfiehlt daher eine Neueinstufung von Cannabinoiden und Cannabisprodukten in die vier Tabellen des Einheitsabkommens für die Betäubungsmittel (Single Convention on Narcotic Drugs). Das multinationale Abkommen von 1961 zielt auf eine Einschränkung der Verfügbarkeit bestimmter Drogen und bildet die Grundlage vieler nationalstaatlicher Betäubungsmittelgesetze. Hierzu werden Suchtstoffe in vier kontinuierlich aktualisierten Tabellen gelistet, die die Verkehrsfähigkeit der jeweils aufgeführten Substanzen gestuft einschränken. Die Restriktionen nehmen dabei von Tabelle I bis III ab. Tabelle IV nimmt einen Sonderstatus ein und inkludiert eine Teilmenge von Tabelle I. Die in Tabelle I gelisteten Substanzen sind grundsätzlich nicht verkehrsfähig. Nationalstaaten, die an das Einheitsabkommen gebunden sind, dürfen Cannabis aufgrund der restriktiven Einstufung nicht legalisieren. Im Folgenden werden die Ergebnisse der Neubewertung zusammengefasst.
Cannabisblüten und Cannabisharz
Die WHO-Kommission empfiehlt die Streichung von Cannabisblüten und -harzen aus Tabelle IV des Einheitsabkommens. Damit würden die Restriktionen der Verkehrsfähigkeit aufgeweicht. Allerdings lediglich soweit, dass Cannabisblüten und -harze für medizinische Zwecke genutzt werden dürften. Ein Nutzung zu Genusszwecken wäre auch zukünftig ausgeschlossen.
THC (delta-9-Tetrahydrocannabinol) und dessen Stereoisomere (Dronabinol)
Nach aktuellem Wissensstand sei der therapeutische Nutzen von delta-9-Tetrahydrocannabinol und dessen Stereoiseomere (Dronabinol) erwiesen. Daher empfiehlt die Kommission die Streichung der Substanzen aus Tabelle II des Abkommens für psychotrope Substanzen (1971) bei gleichzeitiger Aufnahme der Stoffe in die Anlage I des Einheitsübereinkommens. Sämtliche THC-Formen würden damit in Anlage I zusammengefasst aufgenommen.
Cannabis-Extrakten und -Tinkturen
Die Kommission empfiehlt zudem die Streichung von Cannabis-Extrakten und -Tinkturen aus Anlage I des Einheitsabkommens, da nicht von allen Produkte eine psychoaktive Wirkung ausgehe.
Cannabidiol-Zubereitungen (CBD)
Cannabidiol-Zubereitungen (CBD) unter 0,2 Prozent THC (Delta-9-THC) würden laut WHO nicht vom Einheitsabkommen berührt. Gemäß der Kommission gehen CBD-Zubereitungen mit keinem Missbrauchs- und Abhängigkeitspotential einher, zugleich bestehe aber ein medizinischer Nutzen. CBD-Lebensmittel müssen vor dem Inverkehrbringen allerdings das Novel-Food-Zulassungsverfahren der EU durchlaufen. Andernfalls gelten diese als nicht verkehrsfähig.
Interpretation der Neubewertung
Auch nach neuer Einordnung wäre der Konsum zu Genusszwecken generell nicht erlaubt. Da Anhang II der EU-Kosmetikverordnung (Nr. 306) auf die Tabellen I und II des Einheitsabkommens verweist und Cannabis, Cannabisharz sowie Cannabis-Extrakte und -Tinkturen in Tabelle I gelistet würden, wären diese auch in Zukunft in kosmetischen Mitteln nicht verkehrsfähig. Bei Übernahme der WHO-Empfehlungen würden Extrakte und Tinkturen aus Tabelle I gestrichen, während Dronabinol und Tetrahydrocannabinol in diese aufgenommen werden würden. Damit würden diese in kosmetischen Produkten nicht verkehrsfähig sein. CBD-Zubereitungen mit weniger als 0,2 Prozent THC wären dagegen verkehrsfähig, da das Einheitsabkommen diese laut WHO-Expertenkomitee nicht tangiere.