Das Magazin Vice hat in einem Artikel die Hürden unter die Lupe genommen, auf die Patienten stoßen, wenn sie versuchen, legales Cannabis aus der Apotheke zu beziehen. Deutschland ist der größte Markt für medizinisches Cannabis außerhalb Nordamerikas. Der Umstand, dass Cannabis von den Krankenkassen übernommen werde, theoretisch jedenfalls, mache Deutschland für Produzenten besonders attraktiv, schreibt Vice. In Nordamerika müssten die meisten Patienten noch selbst in die Tasche greifen. Um die gesteigerte Nachfrage zu bedienen, habe die deutsche Regierung im März drei Unternehmen erlaubt, Cannabis in Deutschland anzubauen. Ich berichtete
Was aus unternehmerischer Sicht momentan eine große Erfolgsgeschichte sei, bleibe für Patientinnen und Patienten ein bürokratischer Albtraum, schreibt Vice. Deutschlands Umgang mit medizinischem Cannabis sei vor allem verwirrend, zitiert das Magazin Betroffene. Das Mittel sei schwer zu beschaffen und immer noch mit Vorurteilen belastet. Die in Deutschland verfügbaren Mengen seien zu gering, Ärzten fehle es an Expertise und Krankenkassen weigerten sich regelmäßig zu zahlen. Diejenigen, die für ihr Apotheken-Gras selbst aufkommen müssen, sagen laut Vice, dass es überteuert und von schlechter Qualität sei. Nicht wenige versuchen es deswegen weiter auf dem Schwarzmarkt oder bauen illegal selbst an.
Schmerzpatienten müssten erst Opiate ausprobieren
Die Kriterien für ein Cannabis-Rezept seien streng. Patienten müssen unter einer „schweren“ Krankheit leiden und beweisen, dass ihnen kein anderes Medikament helfen kann. Für Ärztinnen bedeute dies eine Menge Papierkram. Aufgrund des verhältnismäßig geringen Forschungsstands seien Mediziner ohnehin sehr zögerlich beim Ausstellen von Rezepten.
Wann genau eine Krankheit „schwer“ ist, sei nicht definiert. Theoretisch könnten Migränepatientinnen den Kriterien genügen, Krebspatienten aber nicht, wenn es andere Behandlungsmethoden gibt. Schmerzpatienten müssten erst Opiate ausprobieren, bevor sie auf ein Cannabis-Rezept hoffen dürfen.
Etwa ein Drittel der Cannabis-Patienten werde laut Vice von den Krankenkassen abgelehnt. Das gebe es bei keinem anderen Medikament. Der Preis stelle ebenfalls eine große Hürde dar. Zurzeit kostet das Gramm kanadisches Gras in deutschen Apotheken zwischen 20 und 25 Euro – siebenmal so viel, wie kanadische Patientinnen bezahlen. Obendrein lasse die Qualität zu wünschen übrig. „Wir kriegen den Müll, der sich auf dem kanadischen Markt nicht verkaufen lässt“, zitiert Vice einen Betroffenen.
Trotz allem steige die Nachfrage nach medizinischem Gras in Deutschland rasant. Momentan gebe es schätzungsweise 65.000 Cannabispatienten, 2018 waren es noch 40.000. Vor der Gesetzesänderung 2017 kamen laut Vice nur 1.000 Menschen mit einer Sondererlaubnis legal an Gras.
Große Skepsis unter Ärzten
Das hier legal verkaufte Gras wird aus den Niederlanden oder Kanada importiert. Deswegen haben große kanadische Cannabis-Unternehmen wie Aphria, Aurora, Canopy und Tilray ihre Präsenz in Deutschland verstärkt. Sie wollen nicht nur nach Deutschland expandieren, sondern auch in andere Länder der Europäischen Union, in denen Gras legal ist, schreibt Vice.
Ein großes Hindernis sei die Unwissenheit der Mediziner, zitiert die Vice Hendrik Knopp, Geschäftsleiter von Aphria Deutschland. „Politiker haben entschieden, dass Cannabis eine anerkannte Behandlungsmethode ist. Nur den Ärzten hat niemand Bescheid gesagt“, sagte Knopp dem Magazin.
„Unter Medizinern herrscht große Skepsis“, zitiert Vice Jan Witte, Krebsexperte in einem Berliner Krankenhaus. „Die meisten Rezepte werden von einigen wenigen Ärztinnen und Ärzten ausgestellt, die sich auf Cannabis spezialisiert haben.“
Aber es gibt Hoffnung. Daniela Ludwig von der CSU, die neue Drogenbeauftragte der Bundesregierung, sagte vor Kurzem: „Es gibt beim Thema Cannabis kein Schwarz oder Weiß, kein Entweder-oder.“ Damit unternahm sie eine klare Abkehr von der konservativen Drogenpolitik ihrer Vorgängerin Marlene Mortler, schreibt die Vice.
Auch wenn die aktuelle Regierung weit davon entfernt sei, eine Cannabis-Legalisierung überhaupt in Erwägung zu ziehen, könnte sich das mit den nächsten Bundestagswahlen ändern. Mit den Grünen, der Linken, der SPD und der FDP gibt es immerhin vier Parteien, die einer Legalisierung oder kontrollierten Freigabe nicht total ablehnend gegenüber stehen, so Vice.
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